7th Workshop on e-Learning WEL’09 2009
Rückblende, Afghanistan: In dem Jahr, als sie eigentlich eingeschult werden sollte, marschierten die Taliban in Kabul ein und verboten den Schulbesuch von Mädchen. Ihre Mutter wurde gezwungen, die Burka zu tragen. Elaha blieb dies erspart, da sie noch zu jung war. Eine Lehrerin unterrichtete sie zu Hause. Später, ab Klasse 6, konnte sie die High School in Afghanistan besuchen und ohne Zeitverzug 18-jährig mit dem Abitur abschließen.
Der Berufsweg war ihr wohl in die Wiege gelegt, Mutter und Vater sind Bauingenieure. So nahm auch sie das Studium zur Bauingenieurin auf, auf Englisch nach amerikanischem Lehrmaterial, und schloss nach vier Jahren an der Universität in Kabul erfolgreich mit dem Bachelor (Sc.) ab. Eine Zeit der Berufstätigkeit in der Projektierung folgte. Als ihre Familie beschloss, das vom Krieg gezeichnete Land zu verlassen, hatte Elaha Fakhri den festen Willen, ihren beruflichen Weg fortzusetzen.
Deutschland, 2014:
Es war ein völlig neuer Anfang. Elaha konnte kein Wort Deutsch. Als sie auf der Straße „Morgen!“ hörte, ahnte sie, dass dies etwas mit dem englischen „Good morning“ zu tun haben könnte. Elahas Muttersprache ist Dari, eine Variante des Neupersischen. Sie lernte schnell, sich etwas auf Deutsch zu verständigen. Dabei half es ihr, ersatzweise fließend auf Englisch zu kommunizieren.
Nach ein paar Wochen Sprachkurs in der Volkshochschule kam das Aus. Die Bundesrepublik beschloss, nur noch Menschen aus wenigen ausgewählten Ländern eine bessere sprachliche Ausbildung zu gewähren. Afghanistan war nicht dabei. Doch Elaha Fakhri gab nicht auf: Mit viel Fleiß erarbeitete sie sich selbständig den Stoff zweier umfangreicher Deutschbücher.
Vor allem aber halfen ihr deutsche Freunde, darunter ein Bauingenieur in Rente, der ihr deutsches Fachwissen und Fachlexik vermittelte. So konnte sie schließlich, ohne je an einem Kurs teilgenommen zu haben, die Sprachprüfung Deutsch B1 an der Volkshochschule in Torgau mit sehr gutem Ergebnis abschließen.
Dies war der Schlüssel zur nächsten Etappe ihres Lebens: Eine Voraussetzung für die Studienbewerbung. Weil Bauingenieure in ihrem Beruf auch mobil sein müssen, erarbeitete sich Elaha Fakhri außerdem den PKW-Führerschein und das zugehörige Deutsch.
Bereits Anfang 2016 besuchte Elaha die HTWK Leipzig am Tag der offenen Hochschultür. Ihr afghanisches Hochschulzeugnis wurde geprüft. Die bedingte Zulassung zum Studium folgte. „Bedingt“ – das hieß, zur Aufnahmeprüfung zu einem einjährigen Deutschkurs an der Hochschule in Zittau delegiert zu werden.
Elaha Fakhri bestand sie und wurde mit harten Anforderungen konfrontiert. Insbesondere bei der Transformation von gegebenen Sachverhalten in verschiedene grammatische Strukturen wurden auch Dinge verlangt, die wohl nicht einmal im Deutschunterricht für Deutsche eine Rolle spielen - weil wir sie mit der Muttermilch einsaugen. Deutsche Zeitungen und das deutschsprachige Fernsehen halfen ihr beim Lernen der Sprache und beim Kennenlernen unserer Gesellschaft.
Am 7. Juli 2017 war es schließlich soweit. In einer Feierstunde im Zittauer Rathaus erhielt Elaha Fakhri die Urkunde zur bestandenen Prüfung des Kurses DSH-2 (Deutsche Sprache für den Hochschulzugang). Nur fünf von 13 Kursteilnehmern ihrer Gruppe hatten den hohen Anforderungen Stand gehalten. Und sie war die einzige Migrantin unter ihnen, die es geschafft hatte.
Die Zulassung zum Masterstudium an der HTWK Leipzig folgte auf dem Fuße. Sie hat die Spezialisierungsrichtung Hochbau/Bauwerkserhaltung gewählt. Die Immatrikulationsfeier im Gewandhaus zu Leipzig im Oktober 2017 war ein lang ersehnter Höhepunkt in ihrem Leben. Elaha Fakhri ist angekommen.
Autor: Dr. Jochen Hesse
Dieser Text erschien erstmals am 18. Oktober 2017 in der Torgauer Zeitung. Die HTWK Leipzig dankt dem Autor für das Recht zur erneuten Nutzung.